Figurenschmuck des Elberfelder Rathauses (1901/02)

Zur Ori­en­tie­rung: Der Betrach­ter steht auf dem Neu­markt links vom Ein­gang. Die bei­den Figu­ren stel­len Kai­ser Bar­ba­ros­sa und Her­zog Johann III. von Berg dar. Die Foto­gra­fie ent­stand im August 1940. Samm­lung Unte­re Denk­mal­be­hör­de, Nr. 2740

Am 24.Oktober 1900 weih­te der Kai­ser höchst­per­sön­lich das neue Elber­fel­der Rat­haus ein, nach­dem er bereits zuvor in Bar­men die Ruh­mes­hal­le und ihre Stand­bil­der eröff­net hat­te. Im Anschluss an die Ein­wei­hung des Rat­hau­ses fuhr der Kai­ser zur Pro­be mit der Schwe­be­bahn nach Voh­win­kel, wo er den Sie­ges­brun­nen ein­weih­te. Was der Kai­ser 1900 aller­dings nicht zu Gesicht bekam, war der Figu­ren­schmuck des Rat­hau­ses, die­ser war näm­lich noch nicht fer­tig und wur­de erst im fol­gen­den Jahr ange­bracht, die heu­te bekann­tes­te und wie­der­be­leb­te Figur des Rit­ters von Elber­feld kam sogar erst 1902 an ihren Platz.


Ein Stück wei­ter rechts, unge­fähr vom Jubi­lä­ums­brun­nen, ent­stand die­se Auf­nah­me, eben­falls im August 1940. Sie zeigt die Figu­ren von König Fried­rich Wil­helm III, Kai­ser Wil­helm II. und den Rit­ter von Elber­feld mit sei­nem Knap­pen. Samm­lung Unte­re Denk­mal­be­hör­de, Nr. 2739

Der Ver­ga­be der Auf­trä­ge an die Bild­hau­er ging eine lan­ge und inten­si­ve Debat­te über die Qua­li­tä­ten der Künst­ler und der Aus­ge­stal­tung der Figu­ren vor­aus. Unter ande­rem stritt man sich, ob die Figu­ren in Wart­hau­er Sand­stein, in Gal­va­no-Bron­ze oder Bron­ze­guß aus­ge­führt wer­den soll­ten, am Ende ent­schied man sich für die Aus­füh­rung in getrie­be­nem Kup­fer. Ver­ant­wort­lich für die Anfer­ti­gung aller Figu­ren war die Fir­ma Knodt aus Frank­furt am Main. Alle dar­ge­stell­ten Figu­ren ver­wie­sen auf die Geschich­te (und eine Legen­de) Elber­felds. Zusätz­lich wur­den am Ein­gang noch zwei alle­go­ri­sche Figu­ren der Wahr­heit und der Gerech­tig­keit angebracht.


Figur des Kai­sers Bar­ba­ros­sa (Fried­rich I.) Samm­lung His­to­ri­sches Zen­trum, 010/7/80

Kai­ser Bar­ba­ros­sa (ca.1122–1190) wur­de vom Ber­li­ner Bild­hau­er Pro­fes­sor Hein­rich Gün­ther-Gera geschaf­fen. In des­sen Herr­schaft wur­de der Hof Elber­feld als Tafel­gut des Köl­ner Erz­bis­tums erst­mals erwähnt. 1176 fiel der Hof als erb­li­cher Pfand­be­sitz an Graf Engel­bert von Berg, was der Kai­ser zwei­mal, 1179 und 1189 bestätigte.


Figur des Her­zog Johann III. von Berg Samm­lung His­to­ri­sches Zen­trum, 010/7/81

Her­zog Johann III. (1490–1539) wur­de eben­falls vom Ber­li­ner Bild­hau­er Pro­fes­sor Hein­rich Gün­ther-Gera geschaf­fen. Der ers­te Her­zog der ver­ei­nig­ten Her­zog­tü­mer Jülich-Kle­ve-Berg gewähr­te 1527 gegen eine Zah­lung von 861 Gold­gul­den das Garn­pri­vi­leg an die Bewoh­ner Bar­mens und Elber­felds, sodass im Her­zog­tum nur im Wup­per­tal Garn gebleicht und gezwirnt wer­den durf­te. Die Garn­nah­rung gilt als Beginn der Wup­per­ta­ler Textilindustrie.


Die Figur des König Fried­rich Wil­helm III. Samm­lung His­to­ri­sches Zen­trum, 010/7/59

König Fried­rich Wil­helm III. (1770–1840) stamm­te aus der Hand des Düs­sel­dor­fer Bild­hau­ers Hein­rich Bau­ke. Zu sei­ner Leb­zeit wur­de das Wup­per­tal von der fran­zö­si­schen Fremd­herr­schaft befreit (1813) und gelang­te 1815 zum König­reich Preußen.


Die Figur Kai­ser Wil­helms II. Samm­lung His­to­ri­sches Zen­trum, 010/7/58

Kai­ser Wil­helm II. (1859–1941) wur­de vom Düs­sel­dor­fer Bild­hau­er Fried­rich Cou­bil­lier geschaf­fen. Der Anlass, die­se Figur am Rat­haus anzu­brin­gen, war schlicht, dass das neue Rat­haus in sei­ner Regie­rungs­zeit gebaut und von ihm ein­ge­weiht wurde.


Der Rit­ter von Elber­feld und sein Knap­pe. Samm­lung His­to­ri­sches Zen­trum, 010/7/53

Die impo­san­te Eck­fi­gur des Rit­ters von Elber­feld mit sei­nem muti­gen Knap­pen ent­stammt eben­falls dem Werk des Ber­li­ner Bild­hau­ers Pro­fes­sor Hein­rich Gün­ther-Gera. Sie wur­de im Herbst 1901 fer­tig­ge­stellt und im Mai 1902 in der Nische am Rat­haus ange­bracht.1 Es ist eine Figur aus der Sagen­welt des Wup­per­tals, die für die Treue eines Knap­pen zu sei­nem Herrn steht.
Ruth Mey­er-Kahr­weg erwähnt in ihrer Erläu­te­rung nicht den Namen des Rit­ters, auch in Otto Schells Werk “Ber­gi­sche Sagen” von 1897 wird kein Name erwähnt. Heu­te ist die Figur als Rit­ter Arnold bekannt, aller­dings wur­de die­se Bezeich­nung von den Stadt­ver­ord­ne­ten 1900/1901 nicht benutzt. Es ist aber nicht unge­wöhn­lich, dass Sagen in ver­schie­de­nen For­men erzählt wer­den. Lei­der fin­den sich bei vie­len Ver­sio­nen im Inter­net kei­ne Quel­len­an­ga­ben, sodass es schwer ist, die Her­kunft zu veri­fi­zie­ren. Über­ein­stim­mend berich­ten die Erzäh­lun­gen davon, dass ein Rit­ter ver­folgt wur­de und dass sein Knap­pe von einer unbe­kann­ten Furt in einem gro­ßem Fluss, sehr wahr­schein­lich dem Rhein, wuss­te. Der Rit­ter und sein Knap­pe konn­ten sich dort sei­nen Wider­sa­chern ent­zie­hen, da die­se der Strö­mung nicht stand­hiel­ten. Eine zwei­te Geschich­te erzählt von einer unheil­ba­ren Erkran­kung der Gemah­lin des Rit­ters. Der Knap­pe eil­te dar­auf­hin fort und hol­te die Milch einer Löwin, mit deren Hil­fe die Frau gesun­de­te. Der Rit­ter wur­de dar­auf­hin miss­trau­isch und ent­ließ den Knap­pen, der als Lohn fünf Gul­den ver­lang­te. Mit die­sem Geld soll­te der Rit­ter eine Glo­cke beschaf­fen, die in der Elber­fel­der Umge­bung auf­ge­hängt wur­de. In einer ande­ren Ver­si­on der Sage wird ein Rit­ter Arnold von Elver­feld als Prot­ago­nist genannt, der bei der Schlacht von Worrin­gen (1288) flie­hen muss­te und dann von sei­nem Knap­pen durch den Rhein geführt wur­de. Die­se his­to­risch beleg­te Figur wird aller­dings bei Otto Schell als “Frev­ler” genannt, der in Feh­de mit Adolf V. von Berg lag und in Elber­feld eine Räu­ber­burg unter­hielt und sein Unwe­sen als Raub­rit­ter trieb.2 Es scheint doch sehr frag­lich, dass die Stadt­vä­ter solch eine Per­son an ihrem neu­en Rat­haus haben wollten.


Alle­go­ri­sche Figur der Wahr­heit. Samm­lung His­to­ri­sches Zen­trum, 010/7/56

Zwei wei­te­re Figu­ren wur­den vom Ber­li­ner Bild­hau­er Pro­fes­sor Hein­rich Gün­ther-Gera geschaf­fen. Sie flan­kie­ren den Ein­gang und soll­ten den Stadt­ver­ord­ne­ten und sicher auch jeden Beam­ten und Bür­ger auf ihrem Weg durch das Rat­haus beglei­ten und bei Ent­schei­dun­gen mah­nend zur Sei­te ste­hen: Die Wahr­heit und die Gerech­tig­keit. Da die alle­go­ri­schen Figu­ren bei der Ein­wei­hung durch den Kai­ser noch nicht zur Ver­fü­gung stan­den, wur­de der jun­ge Bild­hau­er Eber­hard Schä­fer damit betraut, zwei in Gips model­lier­te und bron­zier­te Figu­ren der Wahr­heit und der Gerech­tig­keit zu schaf­fen, die spä­ter dann ersetzt wurden.


Die Figur der Gerech­tig­keit. Samm­lung His­to­ri­sches Zen­trum, 010/7/57

Alle Figu­ren auf einem Bild. Kai­ser Bar­ba­ros­sa, Her­zog Johann III. von Berg, König Fried­rich Wil­helm III, Kai­ser Wil­helm II. und der Rit­ter von Elber­feld (v.l.n.r.), im Ein­gangs­por­tal sind die “Wahr­heit” und “Gerech­tig­keit” zu sehen. Das Bild ent­stand zu den Fei­er­lich­kei­ten des 300.Jahrestages der Ver­lei­hung der Elber­fel­der Stadt­rech­te am 30.Juli 1910. Bild ent­nom­men aus: Offi­zi­el­le Fest­wo­che zur Drei­hun­dert­jahr-Fei­er der Stadt Elber­feld, Heft III, 2.August 1910. (Bild ergänzt am 04.August 2012)

Im Zwei­ten Welt­krieg gin­gen alle Figu­ren ver­lo­ren, ob sie von Bom­ben zer­stört oder bei einer Mate­ri­al­samm­lung ein­ge­schmol­zen wur­den, ist unklar.[3]32010 wur­den die Figu­ren des Rit­ters von Elber­feld und der Gerech­tig­keit und der Wahr­heit neu geschaffen. 
Im Juli 2013 steht die Rekon­struk­ti­on der vier Herr­scher­fi­gu­ren zur Debatte.

Anmer­kung:
Da der ursprüng­li­che Figu­ren­schmuck sowohl alle­go­ri­sche Figu­ren als auch his­to­ri­sche Figu­ren ent­hält, wird die­ser Ein­trag sowohl unter “Denk­mä­ler” als auch unter “Stadt­schmuck” gelistet.


Fußnoten:

  1. RMK, S. 120–123.
  2. Otto Schell, Ber­gi­sche Sagen, Werk­ge­treue Neu­aus­ga­be nach der Erst­auf­la­ge voon 1897, erschie­nen in der Baede­cker­schen Buch- und Kunst­hand­lung, A.Martini und Grüt­te­fien, Ver­lags­buch­hand­lung Ute Kier­dorf, Rem­scheid 1978, S. 218
  3. RMK, S. 120–123.