Gedenktafel für die Ronsdorfer Opfer des Nationalsozialismus

Am 20. Novem­ber 1994, es war Toten­sonn­tag, weih­te die Ober­bür­ger­meis­te­rin der Stadt Wup­per­tal, Ursu­la Kraus, zusam­men mit dem Vor­ste­her der Bezirks­ver­tre­tung Rons­dorf, Win­fried Ahrenz, eine klei­ne Gedenk­ta­fel am Rons­dor­fer Ver­wal­tungs­haus ein. Sie erin­nert an die­je­ni­gen Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus, die in Rons­dorf leb­ten oder aus Rons­dorf kamen.1Die Vor­ge­schich­te der Gedenk­ta­fel begann acht Jah­re  zuvor. Damals hat­te die Ver­ei­ni­gung der Ver­folg­ten des Nazi­re­gimes — Bund der Anti­fa­schis­tin­nen und Anti­fa­schis­ten (VVN-BdA e.V.) bean­tragt, eine Stra­ße nach dem Wider­stands­kämp­fer und Mit­glied der KPD Eugen Schwe­bing­haus zu benen­nen. Die Rons­dor­fer Bezirks­ver­tre­tung ent­sprach die­sem Antrag trotz eines Rats­be­schlus­ses vom 13.Juli 1992 nicht.2 Am 3. Mai 1993 beschloss die Bezirks­ver­tre­tung dann die Anbrin­gung einer Gedenk­ta­fel mit den Stim­men von SPD, FDP und Bünd­nis ’90 Die Grü­nen. Die CDU ent­hielt sich, da sie mit der nament­li­chen Nen­nung der Opfer nicht ein­ver­stan­den war. Der Per­so­nen­kreis war auf die Zeit der Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Herr­schaft beschränkt wor­den, sodass Deser­teu­re und Opfer, die spä­ter an den Fol­gen einer Haft­stra­fe gestor­ben waren, nicht berück­sich­tigt wur­den. Grund­sätz­lich, so beton­te die CDU, sei man für die Gedenk­ta­fel, nur nicht in dem Wort­laut.3 Die Bezirks­ver­tre­tung kal­ku­lier­te 20.000 DM an Kos­ten für Tafel. Im April 1994 beschied dann die Ver­wal­tung, dass dafür kein Geld vor­han­den sei. Man rich­te­te ein Spen­den­kon­to ein und ein neu­er Kos­ten­vor­anschlag ging nur noch von 2.000 DM Kos­ten aus.4 Beson­ders die Mit­glie­der der Natur­freun­de und der VVN-BdA hal­fen die Gedenk­ta­fel zu finan­zie­ren, wie Ursu­la Kraus am Tag der Ein­wei­hung fest­stell­te.5
Die Gedenk­ta­fel für die Rons­dor­fer Opfer des Nationalsozialismus

Die Inschrift lautet:

“Zur Erin­ne­rung an die Opfer der nationalsozialistischen
Gewalt­herr­schaft in den Jah­ren von 1933 bis 1945Aus Rons­dorf wur­den in den Gefäng­nis­sen und
Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern ermordet:

Die drei jüdi­schen Familien
Leff­mann — Löwen­thal — Vogel

sowie
Karl Blä­cker — Hugo Ebbinghaus
Otto Kutschat — Eugen Schwebinghaus
Robert Stamm — Paul Wegmann

Den Opfern zum Geden­ken — den Leben­den zur Mahnung”


Im ursprüng­li­chen Beschluss zur Gedenk­ta­fel waren die sechs Wider­stands­kämp­fer noch mit “Herr” titu­liert und der Text der Tafel ende­te mit “Bezirks­ver­tre­tung Wup­per­tal”. Dies wur­de nach­träg­lich noch geän­dert.6


Der 81jährge Moses Löwen­thal wur­de mit Emi­lie und Regi­na Leff­man im Juli 1942 ins Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger The­re­si­en­stadt depor­tiert und dort ermor­det. Löwenthals Toch­ter Sel­ma Frank wur­de im glei­chen Jahr ins KZ Ravens­brück gebracht und spä­ter in Ausch­witz getö­tet. Sein Sohn Fritz war bereits 1941 mit sei­ner Frau Flo­ra und den Kin­dern Ruth (9 Jah­re alt) und Man­fred (6 Jah­re alt) ins Ghet­to Lodz ver­bracht wor­den. Sie kehr­ten nicht zurück. Leo Ley Löwen­thal ist nach sei­ner Depor­ta­ti­on nach Minsk im Jahr 1944 ver­schol­len, eben­so wie die 70jährige Rons­dor­fe­rin Rosa­lie Vogel. Im Novem­ber 1941 waren bereits Käthe und Hele­ne Gla­ser, Hele­ne Marx geb .Leff­mann und ihre Kin­der Lot­te und Rolf, Hele­ne Wolf und Johan­na und Hugo Roth­schild nach Lodz depor­tiert wor­den.7


Karl Blä­cker (*1879) war bis 1929 Stadt­ver­ord­ne­ter der KPD8 und wur­de, nach­dem er im KZ Kem­na war, zu acht Mona­ten Gefäng­nis­haft ver­ur­teilt. Anschlie­ßend wur­de er ins KZ Dach­au ver­bracht, wo er 1945, weni­ge Woche vor Ein­tref­fen der Ame­ri­ka­ner, ermor­det wur­de.9


Hugo Ebbing­haus (*1884 in Lüttring­hau­sen) war gelern­ter Band­wir­ker und wuchs in Rons­dorf auf. Er wur­de nach dem 30. Janu­ar 1933 ver­haf­tet und durch­leb­te im KZ Kem­na ein Mar­ty­ri­um. Er wohn­te bis zu sei­ner zwei­ten Ver­haf­tung im Febru­ar 1943 in der Rem­schei­der Stra­ße. Am 17. August 1944 wur­de er in Wup­per­tal zu acht Jah­ren Haft ver­ur­teilt. Das KPD-Mit­glied starb beim Trans­port nach der Auf­lö­sung des Zucht­hau­ses Cos­wig an der Elbe. Sein Todes­da­tum und ‑ort sind unbe­kannt.10


Otto Kutschat [auch Kutz­schat geschrie­ben, sie­he 11 und 12] (*1888) wur­de als KPD-Funk­tio­när 1935 zu zehn Jah­ren Zucht­haus ver­ur­teilt und kam ins KZ Neu­en­gam­me. Er starb auf der Cap Arco­na nach der Eva­ku­ie­rung des KZs, die am 3. Mai 1945 tor­pe­diert wur­de und sank.13


Eugen Schwe­bing­haus (*1906 [8]) war Mit­glied der KPD und Wider­stands­kämp­fer. Nach der “Macht­er­grei­fung” tauch­te er unter und orga­ni­sier­te in Düs­sel­dorf die Arbeit der ver­bo­te­nen KPD. 1934 emi­grier­te er nach Frank­reich, 1936 kämpf­te er im spa­ni­schen Bür­ger­krieg gegen Fran­co. Spä­ter lei­te­te er die KPD-Aus­lands­or­ga­ni­sa­ti­on in Hol­land.14 Am 23.April 1943 wur­de er in Ams­ter­dam ver­haf­tet und vom Volks­ge­richts­hof 1944 ver­ur­teilt. Am 24.August 1944 wur­de Schwe­bing­haus in Bruch­sal hin­ge­rich­tet.15 Ein Bild von ihm fin­det sich auf www.gedenkbuch-wuppertal.de


Robert Stamm (*1900) war jüngs­ter Reichs­tags­ab­ge­ord­ne­ter der KPD. Der Wider­stands­kämp­fer wur­de Ende 1936 ver­haf­tet und am 4.November 1937 in Ber­lin-Plöt­zen­see hin­ge­rich­tet.16 Eine aus­führ­li­che­re Bio­gra­phie und eine Foto­gra­fie fin­det sich auf der Home­page der Gedenk­stät­te Deut­scher Wider­stand.


Paul Weg­mann (*1889) war Sohn eines Band­wir­kers und ergriff den Beruf des Mecha­ni­kers. Schon früh ging er nach Ber­lin und wur­de dort 1918 in den Voll­zugs­rat des Arbei­ter- und Sol­da­ten­ra­tes gewählt. Spä­ter war er Mit­glied des Preu­ßi­schen Land­tags. Er war zunächst Anhän­ger der USPD, dann der KPD und spä­ter der SPD. 1934 wur­de er fest­ge­nom­men und nach kur­zer Zeit auf frei­em Fuß wie­der der Frei­heit beraubt. Nach neun Jah­ren Haft starb er am 3.April 1945 im KZ Ber­gen-Bel­sen, zwölf Tage vor der Befrei­ung durch die Eng­län­der.17

Ober­bür­ger­meis­te­rin Ursu­la Kraus, die ihre Rede mit dem Mahn­ruf der Frau­en von Ravens­brück begann (“Wenn ihr uns ver­gesst, war unser Ster­ben umsonst.”) mahn­te, man dür­fe auch wei­te­re Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus in Rons­dorf, wie Zwangs­ar­bei­ter und deser­tier­te Wehr­machts­sol­da­ten, nicht ver­ges­sen.18


Nach dem Umbau des Band­wir­ker­plat­zes (Ein­wei­hung 2007) und dem Abriss des Ver­wal­tungs­ge­bäu­des wur­de die Tafel an der Stützwand an der Staats­stra­ße angebracht.

Posi­ti­on des Denk­mals auf der Karte


 

Fußnoten:

  1. Zu Mah­nung und Geden­ken, Wup­per­ta­ler Rund­schau, vom 17.11.2012.
  2. Leser­brief Joa­chim Vog­ler, abge­druckt in Wup­per­ta­ler Rund­schau, vom 01.12.2012.
  3. Gedenk­ta­fel für Nazi-Opfer, Wup­per­ta­ler Rund­schau vom 06.05.1993.
  4. Zu Mah­nung und Geden­ken, Wup­per­ta­ler Rund­schau, vom 17.11.2012.
  5. Mari­on Mey­er, Rons­dor­fer Opfer der Nazis gewür­digt, in: WZ vom 21.11.1994.
  6. Gedenk­ta­fel für Nazi-Opfer, Wup­per­ta­ler Rund­schau vom 06.05.1993.
  7. Kurt Schnö­ring, Gedenk­ta­fel am Ver­wal­tungs­haus: Ehrung von Rons­dor­fer NS-Opfern, in: Rons­dor­fer Wochen­schau vom 24.11.1994.
  8. Leser­brief Joa­chim Vog­ler, abge­druckt in Wup­per­ta­ler Rund­schau, vom 01.12.2012.
  9. Kurt Schnö­ring, Gedenk­ta­fel am Ver­wal­tungs­haus: Ehrung von Rons­dor­fer NS-Opfern, in: Rons­dor­fer Wochen­schau vom 24.11.1994.
  10. Kurt Schnö­ring, Gedenk­ta­fel am Ver­wal­tungs­haus: Ehrung von Rons­dor­fer NS-Opfern, in: Rons­dor­fer Wochen­schau vom 24.11.1994.
  11. Kurt Schnö­ring, Gedenk­ta­fel am Ver­wal­tungs­haus: Ehrung von Rons­dor­fer NS-Opfern, in: Rons­dor­fer Wochen­schau vom 24.11.1994.
  12. Leser­brief Joa­chim Vog­ler, abge­druckt in Wup­per­ta­ler Rund­schau, vom 01.12.2012.
  13. Leser­brief Joa­chim Vog­ler, abge­druckt in Wup­per­ta­ler Rund­schau, vom 01.12.2012.
  14. Kurt Schnö­ring, Gedenk­ta­fel am Ver­wal­tungs­haus: Ehrung von Rons­dor­fer NS-Opfern, in: Rons­dor­fer Wochen­schau vom 24.11.1994.
  15. Leser­brief Joa­chim Vog­ler, abge­druckt in Wup­per­ta­ler Rund­schau, vom 01.12.2012.
  16. Leser­brief Joa­chim Vog­ler, abge­druckt in Wup­per­ta­ler Rund­schau, vom 01.12.2012.
  17. Kurt Schnö­ring, Gedenk­ta­fel am Ver­wal­tungs­haus: Ehrung von Rons­dor­fer NS-Opfern, in: Rons­dor­fer Wochen­schau vom 24.11.1994.
  18. Mari­on Mey­er, Rons­dor­fer Opfer der Nazis gewür­digt, in: WZ vom 21.11.1994.