Doppeldenkmal für Josef Neuberger und Dietrich Bonhoeffer

Die Stele für Dr. Josef Neuberger, im Hintergrund, neben dem Haltestelleschild, ist die zweite Stele für Dietrich Bonhoeffer zu erahnen.

Am 9. November 2005 wurden auf dem Außengelände der Justizvollzugsschule NRW auf der Hardt zwei Denkmäler enthüllt. Sie ehren und erinnern an Dr. Josef Neuberger, nach dem das Haus der Schule auch benannt ist, und Dietrich Bonhoeffer. Initiiert hatte die Errichtung Frank Fraikin, der Leiter der Justizvollzugsschule. Für die Ausführung wandte er sich an Hans-Peter Osten von der JVA Herford, da  dieser bereits im Rahmen der von ihm geleiteten Arbeitstherapie mit Künstlern und jugendlichen Strafgefangenen Kunstwerke geschaffen hatte. Hans-Peter Osten holte wiederum holte den Steinbildhauer Helmut Schön aus Bad Salzufflen ins Boot. Für die Gestaltung der Schrifttafeln zeichnete der Detmolder Bildhauer Wolfgang Karger verantwortlich.1


Die Stele für Dietrich Bonhoeffer, im Hintergrund das Gebäude der ehemaligen Justizvollzugsschule.

Die beiden Denkmäler sind in der Gestaltung bewusst ähnlich gewählt. Beide basieren auf aufrechten Stahlröhren, die die Unbeugsamkeit, den aufrechten Gang und beider Männer in der Zeit des Nationalsozialismus darstellen sollen, die sich allein ihrem gewissen verpflichtend fühlten. An beiden Torsi, für deren Herstellung Hans-Peter Osten verantwortlich war, soll eine große steinerne Portraitbüste den Blick des Betrachters einfangen, erklärte Helmut Schön anlässlich der Einweihung:


„Diese massiven Köpfe aus einem Steinblock geschlagen sind ungeheuer gegenwärtig. Sie sind Mahnung gegen das Vergessen des Nazi-Terrorregimes, das den Einen ermordet hat, dem der Andere nur knapp entkommen konnte. Sie halten Geschichte und die Auseinandersetzung damit lebendig.
Sie können Stolperstein sein, Stein des Anstoßes, aber auf jeden Fall
ein Mahnmal für mehr Toleranz und Achtung, mehr Mut und Aufrichtigkeit. In diesem besten Sinne ein Denk-Mal.“2


Das Portrait Josef Neubergers.

Über die geehrten Persönlichkeiten geben die beiden Schrifttafeln Auskunft.

„Josef Neuberger
Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen
vom 8.12.1966 – 12.9.1972

Josef Neuberger wurde am 11.Oktober 1902 in Antwerpen/Belgien als Sohn jüdischer Eltern geboren.
Zu Beginn des 1.Weltkriegs musste Josef Neuberger zusammen mit seinen Eltern Belgien verlassen. Die Familie siedelte 1914 nach Düsseldorf um, nach dem Abitur im Jahre 1922 begann er ein Doppelstudium der Rechtswissenschaft und der Ökonomie an der Universität in Köln.
1925 promovierte Josef Neuberger in Köln zum Dr. jur., zwei Jahre später zum Dr.rer.pol. Nach Abschluss der Studien- und Referendarzeit erhielt er 1932 die Zulassung als Rechtsanwalt beim Amts- und Landgericht Düsseldorf, doch bereits im Juni 1933 wurde ihm, weil er Jude war, die Zulassung als Rechtsanwalt wieder entzogen. Kurz darauf eröffnete er ein Treuhänderbüro für Auswanderungsangelegenheiten, das er bis 1938 führte.
In der Pogromnacht des 9./10.November 1938 rissen SA-Männer Josef Neuberger aus dem Schlaf, zerrten ihn aus seiner Wohnung und misshandelten ihn schwer.
In der für die Familie lebensgefährlichen Lage entschlossen sich die Neubergers, Deutschland zu verlassen. Die Familie emigrierte zunächst nach Holland, wenig später nach Palästina.
1952 kehrte Josef Neuberger nach Deutschland zurück.
Josef Neuberger, der bereits als Gymnasiast mit 16 Jahren der SPD beigetreten war, wurde 1956 Mitglied des Rates der Stadt Düsseldorf. Von 1959 bis 1975 gehörte er dem Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen an. Als Justizminister in den Jahren 1966 bis 1972 legte Josef Neuberger wesentliche Grundlagen für die Entwicklung eines modernen Strafvollzuges. Mit seinem Namen verbunden sind vor allem:

 

– Die grundlegende Verbesserung der Ausbildung der Vollzugsbediensteten
– Die Errichtung der ersten sozialtherapeutischen Anstalten in NRW
– Die Einführung des Einweisungsverfahrens
– Die Verselbstständigung des Strafvollzuges durch Schaffung einer Strafvollzugsabteilung im Justizministerium und Errichtung der Justizvollzugsämter.

Nach seinem Rücktritt als Justizminister wirkte Josef Neuberger als Hochschullehrer an der Gesamthochschule Wuppertal.

Am 12.1.1977 verstarb Josef Neuberger in Düsseldorf, wo er auf dem jüdischen Friedhof seine letzte Ruhestätte fand.“


Seit 1991 verleiht die Jüdische Gemeinde Düsseldorf, in der Neuberger Mitglied, Vorsitzender des Gemeinderates sowie Vorstandsvorsitzender war, die Josef-Neuberger-Medaille an nichtjüdische Menschen, die sich um das jüdische Leben verdient gemacht haben.3


Das Portrait Dietrich Bonhoeffers.

„Dietrich Bonhoeffer
Theologe und Widerstandskämpfer
1906-1945

Dietrich Bonhoeffer wird am 4.Februar 1906 in Breslau (heute: Wroclaw/Polen) geboren.
Im Jahre 1923 beginnt er ein evangelisches Theologiestudium, legt 1928  sein erstes und 1930 sein zweites theologisches Staatsexamen ab. Seit 1931 lehrt Dietrich Bonhoeffer als Privatdozent an der Universität Berlin und ist Studentenpfarrer an der Berliner Technischen Hochschule.
Von 1933 bis 1935 betreut er die deutsche evangelische Gemeinde in London-Syderham.
Bonhoeffer wird 1935 von Vertretern der „Bekennenden Kirche“, die die NS-Rassenideologie als mit dem Christentum unvereinbar erklärt, gebeten, die Leitung des Predigerseminars in Zingst und Finkenwalde zu übernehmen. Obwohl er sich des damit verbundenen Risikos bewusst ist, folgt er diesem Ruf. Ein Jahr später wird ihm die Lehrerlaubnis für Hochschulen entzogen und 1937 wird die Schliessung des Finkenwalder Predigerseminars verfügt. Seine Arbeit setzt Bonhoeffer im Untergrund fort. 1940 wird das Predigerseminar zum zweiten Mal geschlossen und Bonhoeffer erhält Rede- und Schreibverbot.
1940 erhält Dietrich Bonhoeffer über seinen Schwager Hans von Dohnanyi Anschluss an den politisch-militärischen Widerstand um Admiral Wilhelm Canaris, der ihm im Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) beschäftigt. Als Vertrauensmann knüpft Bonhoeffer mit Hilfe seiner ökumenischen Kontakte Verbindungen zwischen den westlichen Regierungen und dem deutschen Widerstand.
Am 5.April 1943 wird Dietrich Bonhoeffer von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) unter der Beschuldigung der Wehrkraftzersetzung verhaftet und ist bis 1945 Gefangener im Militärgefängnis Berlin-Tegel, im Berliner Gestapogefängnis in der Prinz-Albrecht-Strasse und im Konzentrationslager (KZ) Buchenwald.
Am 8.April 1945 verschleppt ihn die „SS“ in das KZ Flossenbürg, wo er am 9.April, einen Monat vor Kriegsende und kurz vor der Befreiung des Lagers, zum Tode verurteilt und am gleichen Tag hingerichtet wird.“

 


Ein Teil der Inschrift

Zur Einweihungsfeier erschien neben Vertreten von Kirche, Justiz und Stadtrat auch die Nichte Bonhoeffers, Renathe Bethge.4

Auf der Rückseite der Stele für Josef Neuberger wurde inzwischen eine Plexiglastafel mit einer Erklärung des Arbeitsfelds des Justizvollzugsschule angebracht.


Die Plexiglastafel. Undankbar für den Fotografen.

Update vom 27. Juni 2021:
2015 zog die Justizvollzugsschule von ihrem Standort auf der Hardt in einen Neubau auf das ehemalige Bundeswehr-Gelände in Ronsdorf, wo neben der Landesfinanzschule auch die JVA Ronsdorf entstanden ist. Das Neuberger-Denkmal befindet sich seitdem dort, während das Bonhoeffer-Denkmal neben der dem Abriss geweihten ehemaligen Justizvollzugsschule und vormaligen Pädagogischen Hochschule verblieben ist. Der Erinnerungskulturelle und künstlerische Zusammenhang wurde damit zerstört.5


Position des Denkmals auf der Karte


Fußnoten:

  1. Heide Sobotka, Lob der Meinungsfreude, in: Jüdische Allgemeine online vom 20.09.2012. (abgerufen am 20.02.2013)
  2. Stelen für Bonhoeffer und NeubergerRede von Helmut Schön anläßlich der Feier zur Einweihung der Stelen bei der Justizvollzugsschule NRW in Wuppertal am 9. November 2005, Eintrag auf www.gestalt-in-stein.de (abgerufen am 20.02.2013)
  3. Heide Sobotka, Lob der Meinungsfreude, in: Jüdische Allgemeine online vom 20.09.2012. (abgerufen am 20.02.2013)
  4. Justizvollzugsschule NRW ehrt Dr. Josef Neuberger und Dietrich Bonhoeffer, in: Der Vollzugsdienst. Fachzeitschrift für die Bediensteten des Justizvollzugs, Dezember 2005.
  5. Daniel Diekhans, Doppel-Denkmal verteilt sich auf zwei Standorte in Barmen und Ronsdorf, in: WZ-online vom 22. Januar 2021

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