Neuschöpfung des Figurenschmucks am Elberfelder Rathaus: Mein Standpunkt

Am Diens­tag der letz­ten Woche (2. Juli) berich­te­te die WZ vom Plan des Wup­per­ta­ler Mäzens Hans-Joa­chim Cam­p­hau­sen, am Elber­fel­der Rat­haus die vier Fürs­ten­fi­gu­ren zu erneu­ern, die  Bar­ba­ros­sa, Johann III. von Jülich-Kle­ve-Berg, Fried­rich Wil­helm III. und Wil­helm II. dar­stel­len. Wäh­rend es erst zunächst so schien, als sei alles schon beschlos­se­ne Sache (WZ vom 9.Juli), führ­te die ein­set­zen­de Dis­kus­si­on in den Augen der Wup­per­ta­ler Zei­tung zu einer Spal­tung der Stadt. Ges­tern erteil­te der unglück­lich agie­ren­de Ober­bür­ger­meis­ter dem Vor­ha­ben die end­gül­ti­ge Absa­ge, zusätz­lich wird sich die Stadt auf­grund die­ser Erfah­rung eine Schen­kungs­sat­zung geben, sodass der Stadt­rat zukünf­tig zu ent­schei­den hat. Schaut man sich die Kom­men­ta­re unter den WZ-Arti­keln an, ist die Beob­ach­tung einer Spal­tung der Stadt sicher nicht von der Hand zu wei­sen, auch wenn es dort eher laut­stark als sach­lich zuging. 
Ich habe dort auch ein wenig kom­men­tiert (sach­lich, natür­lich), und ich den­ke, es ist sinn­voll, wenn ich in die­sem Blog mei­nen Stand­punkt zur Dis­kus­si­on stelle.

Vor­ab der Ver­weis auf die bei­den Ein­trä­ge zur den alten Figu­ren und den bereits erfolg­ten Rekonstruktionen: 

Es gibt in mei­nen Augen drei wesent­li­che Punk­te, die man bei der Debat­te berück­sich­ti­gen muss und von denen die ers­ten bei­den dazu füh­ren, dass ich eine Neu­schöp­fung der Stand­bil­der ablehne. 

  1. Der zen­trals­te Punkt ist der Fakt, dass es sich nicht um Restau­ra­tio­nen, son­dern um Neu­schöp­fun­gen han­delt. Die in den WZ-Kom­men­ta­ren und der Stel­lung­nah­me der CDU zu lesen­den Formulierung,
    man stel­le ja nur den “dama­li­gen” oder “Ur-“Zustand des Rat­hau­ses wie­der her, ist
    irre­füh­rend. Es bleibt zunächst unklar, wel­cher Zustand gemeint ist. Bei der Ein­wei­hung des Rat­hau­ses 1900 durch eben jenen nun den Streit erzeu­gen­den Kai­ser, waren die Figu­ren noch nicht vor Ort. Dar­über hin­aus gibt es meh­re­re “his­to­ri­sche” Pha­sen des Rat­hau­ses, aber des­we­gen hän­gen wir ja am 30. Janu­ar auch kei­ne Haken­kreuz-Fah­nen am Rat­haus auf. War­um also soll genau die­ser Zustand wie­der­her­ge­stellt wer­den? Das bleibt in der Argu­men­ta­ti­on der Befür­wor­ter unklar.
    Aber viel ent­schei­den­der ist: Hier wird nichts restau­riert, hier wird Neues
    geschaf­fen. Denk­mä­ler sind, nach dem Berliner
    Poli­tik­wis­sen­schaft­ler und His­to­ri­ker Peter Rei­chel, Deu­tungs- und
    Iden­ti­fi­ka­ti­ons­an­ge­bo­te, sie die­nen der Fest­schrei­bung eines
    Geschichts­bil­des in der Öffent­lich­keit und tref­fen eine Aussagen
    über den his­to­ri­schen Gegen­stand und den Stif­ter und
    sei­ne Zeit. Da es Neu­schöp­fun­gen sind, trä­fen die Denk­mä­ler eine Aus­sa­ge über unse­re Gegen­wart von 2013, nicht jene von 1901/02! Wel­che Aus­sa­ge wird also heu­te getrof­fen, in dem wir unter ande­rem Wil­helm II. ein Denk­mal set­zen? War­um sind die genann­ten Herr­scher auch heu­te noch erinnerungswürdig?
    1901/02 dien­ten sie der Illus­tra­ti­on der Geschich­te Elberfelds,
    ent­spre­chend dem Geschichts- und Poli­tik­ver­ständ­nis der Zeit
    über­nahm man die damals gän­gi­ge Ver­eh­rung der deut­schen Könige
    und Kai­ser. Wie aber kön­nen wir in einer Demo­kra­tie, in der das
    Volk der Sou­ve­rän ist, Mon­ar­chen ehren? Wie kön­nen wir, wenn wir
    den Namen Let­tow-Vor­beck von unse­ren Stra­ßen­schil­dern nehmen,
    sei­nen obers­ten Dienst­her­ren neu ehren? Einen Anti­se­mi­ten und
    Anti­de­mo­kra­ten, einen Mili­ta­ris­ten und Kolo­nia­lis­ten? Einen Herr­scher, unter des­sen Diplo­ma­tie das
    Deut­sche Reich sich selbst in Euro­pa iso­lier­te und schließ­lich die
    ent­schei­den­de Rol­le beim Aus­bruch des Ers­ten Welt­kriegs spiel­te. Man
    mag dar­über strei­ten, ob die­ser schwa­che Mann und schwa­che Regent,
    der zu kei­ner kon­se­quen­ten, lang­fris­ti­gen Poli­tik in der Lage war,
    ein „Kriegs­trei­ber“ war. Fak­tum ist, dass er den Krieg nicht
    ver­hin­dert hat, obwohl die Ent­schei­dung über Krieg und Frieden
    gemäß der Ver­fas­sung des Deut­schen Rei­ches bei ihm lag. Die
    hek­ti­schen Ver­su­che den Krieg in letz­ter Minu­te zu verhindern,
    spre­chen dabei eher für sein man­geln­des Urteils­ver­mö­gen und die
    Lau­nen­haf­tig­keit des Kai­sers als dafür, dass er den Krieg von Anfang nicht woll­te. Wel­che Schlag­zei­le pro­vo­zier­ten wir mit der Ehrung Wil­helms II. 99 Jah­re nach dem Ers­ten Welt­krieg?
    Fried­rich Wil­helm III. wur­de dafür geehrt, Elber­feld von
    den Fran­zo­sen 1813 befreit und 1815 Preu­ßen ange­glie­dert zu haben.
    Wol­len wir die­se Aus­sa­ge, die damals eng im Zusam­men­hang mit der
    deutsch-fran­zö­si­schen Feind­schaft stand, heu­te wie­der­ho­len? Wollen
    wir einen Herr­scher ehren, der vom Got­tes­gna­den­tum seiner
    Königs­wür­de über­zeugt war? Wol­len wir einen Herr­scher ehren, der
    die Pres­se­zen­sur ein­führ­te und die Uni­ver­si­tä­ten über­wa­chen ließ? 
  2. Min­des­tens eben­so wich­tig ist es
    in mei­nen Augen, eine Stif­tung von jeman­dem abzu­leh­nen, der nicht in
    der Lage ist, das Ver­spre­chen einer his­to­risch kor­rek­ten Rekon­struk­ti­on ein­zu­lö­sen. Wie die WZ am 2. Juli berich­tet, erklär­te Herr Cam­p­hau­sen, dass
    „kei­ne his­to­ri­schen Abbil­dun­gen vor­lie­gen“. Wie kann es sein,
    dass jemand mit einem so teu­ren und bedeu­tungs­vol­len Vor­ha­ben, sich
    nicht im Stadt­ar­chiv die ent­spre­chen­den Abbil­dun­gen besorgt? Oder
    sich an die Unte­re Denk­mal­schutz­be­hör­de wen­det? Hier auf denkmal-wuppertal.de sind sol­che Abbil­dun­gen vor­han­den.
    Wenn man die bereits erfolgte
    Neu­stif­tung des Rit­ters von Elber­feld, der Gerech­tig­keit und Wahr­heit betrach­tet, erkennt man, dass von einer
    Rekon­struk­ti­on,  die “den Ori­gi­nal­zu­stand” wie­der her­stellt, kei­ne Rede sein kann. Es sind schlechten
    Kopien, die, da auf die „Rekon­struk­ti­on“ nicht ver­wie­sen wird, den den his­to­ri­schen Ein­druck für den unbe­darf­ten Betrach­ter eher ver­fäl­schen als wie­der­her­stel­len. Auch wenn man sich das
    Armen­pfle­ge­denk­mal und den Gerech­tig­keits­brun­nen ansieht, fällt auf, dass bei bei­den sowohl der Stand­ort als auch die Aus­rich­tung des Denkmals
    kei­nes­wegs dem his­to­ri­schen Vor­bild nach­emp­fun­den wur­de. Einen Hin­weis dazu sucht man ver­ge­bens. (Die his­to­ri­schen Vor­bil­der: Armen­pfle­ge-Denk­mal (1903),  Der Gerech­tig­keits­brun­nen (1910) )
  1. Der drit­te Punkt bezieht sich auf das Ver­fah­ren. Es kann in einer Demo­kra­tie nicht sein, dass die Legis­la­ti­ve (der Stadt­rat) und damit die Ver­tre­tung aller Bür­ger, aus die­sem Ver­fah­ren aus­ge­schlos­sen wird. Ein öffent­li­ches Denk­mal an einem öffent­li­chen Gebäu­de, einst das Zen­trum der Elber­fel­der Demo­kra­tie, kann nicht als Ver­wal­tungs­vor­gang beschlos­sen wer­den. Die Stadt trifft mit der Annah­me (oder Nicht­an­nah­me) einer sol­chen Schen­kung eine Aus­sa­ge. Die Stadt, das sind wir, und wir wer­den ver­tre­ten vom Stadt­rat. Nicht vom Oberbürgermeister.
Zum Schluss will ich noch zwei Din­ge klar­stel­len. Ich bin Herrn Cam­p­hau­sen dank­bar, dass er sich so für sei­ne unse­re Stadt ein­setzt. Lei­der über­zeu­gen sei­ne Bemü­hun­gen, das alte Elber­feld zurück­zu­brin­gen, qua­li­ta­tiv nicht. Und er hat nicht bedacht, dass eine Neu­stif­tung eines Denk­mals einer his­to­ri­schen Per­son nicht das glei­che ist, wie die Neu­stif­tung von alle­go­ri­schen Figu­ren. Die Aus­sa­ge “Gerech­tig­keit” ist etwas ande­res, als das Abbild deut­scher Kai­ser und Herrscher. 
Die Argu­men­ta­ti­on in Punkt
1 in kein Auf­ruf zum Denk­mal­sturm. Das Bis­marck-Denk­mal oder das
Kai­ser Wil­helm II.-Denkmal am IC-Hotel sol­len und dürfen
selbst­ver­ständ­lich das Stadt­bild berei­chern. Denn sie ste­hen dort
als his­to­ri­sches Relikt des Geschichts­bilds einer ver­gan­ge­nen Zeit
und erzäh­len von der Inter­pre­ta­ti­on die­ser Per­so­nen in ihrer Zeit.
Genau­so wie die Denk­mä­ler von heu­te unser Geschichts­bild den
nach­fol­gen­den Genera­tio­nen erzäh­len. Wel­che Aus­sa­gen wol­len wir hinterlassen?