Am 9. Juni 2024 wurde an der Begegnungsstätte Alte Synagoge (am Eingang an der Krugmannsgasse) eine Gedenktafel für die Wirtschaftswissenschaftlerin Dr. Cläre Tisch eingeweiht. Gestiftet wurde diese vom FrauenRat NRW e.V. im Rahmen des Projektes FrauenOrte NRW, der Stabsstelle Gleichstellung und Antidiskriminierung in Wuppertal, dem Verein Wupperfrauen e.V. und der Begegnungsstätte Alte Synagoge.
60 Menschen nahmen an der Einweihung teil, es sprachen Bürgermeister Heiner Fragemann und Sylvia Löhrmann, Staatsministerin a.D., Prof Dr. Petia Genkova vom FrauenRat NRW stellte das Projekt FrauenOrte NRW vor, Claudia Müller von den Wupperfrauen e.V. führte in die Lebensgeschichte von Cläre Tisch ein. Briefe von Cläre Tisch an Joseph Schumpeter wurden eindrucksvoll von der Schauspielerin Luise Kinner vorgetragen. Für den musikalischen Rahmen sorgten Roswitha Dasch und Dirk Lattenkamp. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Ulrike Schrader, der Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge.1
Die Gedenktafel zeigt ein ausgeschnittenes Portrait von Cläre Tisch und folgende Inschrift:
Dr. Cläre Tisch (*1907 Elberfeld, †1941 Minsk) war eine promovierte Volkswirtin, die dem Terror des Nationalsozialismus mit Lebensmut und Tapferkeit entgegentrat. Da sie Jüdin war, musste sie ihre Karriere an der Universität abbrechen. Sie engagierte sich fortan im Jüdischen Frauenbund. Trotz Repressionen kümmerte sie sich intensiv um die ihr anvertrauten Waisenkinder. Ihr Mitgefühl und ihre Hilfsbereitschaft bewahrte sie sich bis zu ihrer Ermordung.
Cläre Tisch wurde am 14. Januar 1907 als mittlere Tochter des jüdischen Ehepaares Leo und Adele Tisch in Elberfeld geboren. Sie studierte nach dem Abitur Volkswirtschaftslehre und legte 1929 in Bonn ihr Examen als Diplom-Volkswirtin ab.
Dort wurde sie im Juli 1931 als eine der ersten Frauen in diesem Fach promoviert. Ihr wurde eine glänzende wissenschaftliche Karriere vorhergesagt, die am Berufsverbot der Nationalsozialisten scheiterte.
Da sie ab 1933 als Jüdin nicht mehr an der Universität lehren durfte, kehrte sie nach Wuppertal zurück und engagierte sich beim Jüdischen Frauenbund in der reichsweiten Zentralstelle für Pflegekinderwesen und Adoptionsvermittlung.
1939 musste sie zwangsweise mit ihrer Familie in ein sogenanntes Judenhaus umziehen, eine Emigration war ihr nicht mehr möglich. Ihr Doktorvater, Joseph Alois Schumpeter, versuchte ihr zu helfen, doch vergeblich: Am 10.11.1941 wurde sie mit ihrer Familie nach Minsk deportiert und dort vermutlich kurz darauf ermordet.
Zur weiteren Biografie von Cläre Tisch sei auf die hervorragende Seite von Wupperfrauen verwiesen.
In seiner Rede betonte Bürgermeister Heiner Fragemann, dass es zwar bereits Gedenkorte für Frauen wie z.B. Helene Stöcker gebe und Schulen die Namen bedeutender Wuppertalerinnen trügen. Doch diese Beispiele seien sicher noch zu wenige. Die Stadt arbeite daran, bei der Benennung von Straßen „zunehmend und vorrangig Frauen“ zu berücksichtigen. Die ehemalige Landesministerin Sylvia Löhrmann erklärte, die Gedenktafel für Cläre Tisch könne als Vorbild dienen, weil sie nicht nur ein NS-Opfer präsentiere, sondern auch „einen aktiven Menschen, einen Mitwirkenden an der Stadtgesellschaft“. Elementare Rechte für Frauen seien weiterhin nicht selbstverständlich, konstatierte Petia Genkova für den FrauenRat NRW und betonte, auch davon erzähle Cläre Tischs Lebensgeschichte.2
Position des Denkmals auf der Karte
Fußnoten:
- Webseite Wupperfrauen
- Daniel Diekhans, Erster Frauenort in Wuppertal eingeweiht, in: WZ vom 11. Juni 2024