Gedenktafel für Maria Husemann

Am 22.Juni 1993 wur­de über einer Tür zu einem Klas­sen­raum im Alt­bau des Erz­bi­schöf­li­chen Gym­na­si­ums St.Anna eine Gedenk­ta­fel zur Erin­ne­rung an Maria Huse­mann vom Köl­ner Dom­ka­pi­tu­lar Prof.Dr. Nor­bert Trip­pen ein­ge­weiht. Es sei beson­ders erfreu­lich, beton­te Trip­pen, dass die­se Gedenk­ta­fel an einer Schu­le jun­gen Men­schen ein Bei­spiel für Unrechts­be­wusst­sein gebe.1


Die Gedenk­ta­fel für Maria Husemann.

Die Gedenk­ta­fel ver­zeich­net in gol­de­ner Schrift unter dem Flam­men­kreuz der Cari­tas fol­gen­de Inschrift:

Hier wur­de am 22.Dezember 1943
die Caritassekretärin
MARIA HUSEMANN
1892 — 1975
von der Gesta­po verhaftet.

Als glau­bens­star­ke Katho­li­kin hat­te sie
vie­len Opfern der national-sozialistischen
Dik­ta­tur geholfen.
Ihr Lei­dens­weg führ­te durch das Gestapo-
Gefäng­nis Wuppertal
sowie durch die KZ Ravens­brück und Graslitz”


Die 1892 gebo­re­ne Maria Huse­mann kam 1926 zur ört­li­chen Geschäfts­stel­le der Cari­tas und arbei­te­te dort als Sekre­tä­rin. Nach der Macht­über­nah­me der Natio­nal­so­zia­lis­ten behielt sie zusam­men mit dem Geschäfts­füh­rer Hans Carls (1886–1952) ihr christ­li­ches Welt­bild bei. So sorg­ten sie dafür, dass aus­rei­se­wil­li­ge jüdi­sche und “halb­jü­di­sche” Bür­ger  Aus­rei­se­pa­pie­re und ande­re Hilfs­an­ge­bo­te der Aus­wan­de­rerfür­sor­ge erhiel­ten.2 Im Büro der Cari­tas an der König­stra­ße 27 (heu­te Fried­rich-Ebert-Str.) wur­de außer­dem “alles an Schrift­tum gegen das Nazi­re­gime ver­viel­fäl­tigt und wei­ter­ge­ge­ben. Wenn es auch nicht im Auf­trag von ihm [Hans Carls] geschah, so doch mit sei­nem Ein­ver­ständ­nis,” erklär­te Maria Huse­mann 1964 in ihrem Bericht: “Mein Wider­stands­kampf gegen die Ver­bre­chen der Hit­ler-Dik­ta­tur” (her­aus­ge­ge­ben vom Wup­per­ta­ler Stadt­de­chant und Katho­li­ken­rat 1983)3 Unter ande­rem wur­den hier die Pre­dig­ten des Müns­te­ra­ner Bischofs Cle­mens von Galen gegen die Eutha­na­sie ver­viel­fäl­tigt und ver­teilt.4

Im März 1940 ver­lie­ßen die letz­ten Schü­ler am Ende des Schul­jah­res das Gym­na­si­um, das nach mehr­fa­chem Abbau von Klas­sen auf poli­ti­schen Druck geschlos­sen wur­de. In den Räu­men fand das Büro der Cari­tas eine neue Hei­mat, nach­dem am Ende der 30er Jah­re das bis­he­ri­ge Büro ver­kauft wor­den war, um es dem Zugriff der Natio­nal­so­zia­lis­ten zu ent­zie­hen. 5


Am 16. Sep­tem­ber 1941 wur­de das Büro wegen der Ver­brei­tung der ver­bo­te­nen Schrif­ten zum ers­ten Mal denun­ziert. Ein Besu­cher hat­te sich dort kri­tisch über die Natio­nal­so­zia­lis­ten geäu­ßert und um Abschrif­ten der Pre­dig­ten von Galens gebe­ten. Die Frau eines Oberst­leut­nant wur­de Zeu­ge und ihr Mann zeig­te den Besu­cher gegen­über der Kom­man­dan­tur Wup­per­tal an. Für den Besu­cher und Vater von vier Kin­dern  folg­ten 18 Mona­te Lager­auf­ent­halt, im Büro der Cari­tas wur­den ledig­lich die Pre­dig­ten und die Schreib­ma­schi­ne beschlag­nahmt. Maria Huse­mann wur­de nach anfäng­li­cher Ver­haf­tung auf frei­en Fuß gesetzt.6
Am 7. Novem­ber wur­de dafür Hans Carls ver­haf­tet und Maria Huse­mann küm­mer­te sich trotz der Gefah­ren für ihre eige­ne Per­so­nen dar­um, den schwer­kran­ken Mann, der im März 1942 ins KZ Dach­au kam, mit Lebens­mit­teln, Medi­ka­men­ten und Kon­tak­ten zur Außen­welt zu ver­sor­gen. Spä­ter wei­te­te sie ihre Unter­stüt­zung auf wei­te­re Inhaf­tier­te aus und knüpf­te deutsch­land­weit Kon­tak­te. Außer­dem fuhr sie ein­mal im Monat nach Mün­chen, um die aus dem KZ her­aus­ge­schmug­gel­ten Berich­te Hans Carls in Emp­fang zu neh­men, zu ver­wah­ren und auch an höchs­te kirch­li­che und welt­li­che Krei­se wei­ter­zu­lei­ten.7

Nach dem Luft­an­griff auf Elber­feld in der Nacht zum 25.Juni 1943 ver­lor sie ihre Woh­nung und auch die Schu­le wur­de teil­wei­se beschä­digt. Sie über­gab die Schrift­stü­cke an eine Bekann­te, die bald dar­auf das gefähr­li­che Mate­ri­al wie­der zurück­ge­ben woll­te. Mit Hil­fe des Mari­en­heims auf der Hardt wur­de eine Über­ga­be orga­ni­siert. Der Chauf­feur nahm die in einer Zigar­ren­kis­te ver­wahr­ten Doku­men­te in Emp­fang und brach­te sie zur Hardt, wo ein Arbei­ter die Kis­te in Erwar­tung von Rauch­wa­ren aus dem Fahr­zeug stahl. Er warf die für ihn wert­lo­sen Papie­re auf der Hardt weg, Pas­san­ten brach­ten sie zu einem Betrieb an der Straß­bur­ger Stra­ße, wo ein katho­li­scher Arbei­ter sie drei Wochen ver­wahr­te, bevor er sie an den Betriebs­lei­ter wei­ter­gab, der sie dem Kreis­lei­ter über­stell­te. Am 22. Dezem­ber 1943 wur­de Maria Huse­mann von der Gesta­po im Büro in der St.Anna-Schule ver­haf­tet.8


Am 23. August 1944 wur­de sie, nach dem sie im März ver­ur­teilt wor­den war, ins Frau­en­kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ravens­brück gebracht. Im Sep­tem­ber 1944 kam sie in das Arbeits­la­ger Gras­litz des KZs Flos­sen­brück, wo sie Rüs­tungs­pro­duk­te her­stel­len muss­te. Im Früh­jahr 1945 wur­de das Lager geräumt und es begann einer der vie­len grau­sa­men Todes­mär­sche. Auch hier behielt Maria Huse­mann ihre christ­li­che Nächs­ten­lie­be und setz­te sich für zwei erschöpf­te “jüdi­sche Kame­ra­din­nen” ein und wur­de mit ihnen am 30.04.1945 ent­las­sen. Sie brach­te die bei­den erschöpf­ten und kran­ken Frau­en in ein Not­kran­ken­haus und begab sich dann auf den Weg nach Hau­se. Am 5.Juni 1945 kam sie in Wup­per­tal an und wur­de bis zum 2.August wegen völ­li­ger Erschöp­fung behan­delt.9
Sie arbei­te­te bis 1951 wie­der mit Hans Carls im Büro der Cari­tas und erhielt die sil­ber­ne Ehren­na­del der Cari­tas ver­lie­hen. Ab 1950 war sie Vor­sit­zen­de des von ihr mit­ge­grün­de­ten “Bund der Ver­folg­ten des Nazi-Regimes”, 1959 war sie neben Johan­nes Rau Mit­be­grün­de­rin der “Gesell­schaft für christ­lich-jüdi­sche Zusam­men­ar­beit” und spä­ter deren Geschäfts­füh­re­rin. 1970 erhielt sie das Bun­des­ver­dienst­kreuz I.Klasse durch Johan­nes Rau. Am 12.Dezember 1975 ver­starb Maria Huse­mann und wur­de auf dem katho­li­schen Fried­hof Uel­len­dahl bestat­tet.10