Gedenktafel für im Dienst getötete Polizisten

Als am 1. Dezem­ber 2000 im Poli­zei­prä­si­di­um die Gedenk­ta­fel für den Poli­zei­be­am­ten Paul Kre­ber fei­er­lich ein­ge­weiht wur­de, wur­de am glei­chen Tag im sel­ben Flur eine Gedenk­ta­fel der Öffent­lich­keit über­ge­ben, die an drei im Dienst getö­te­te Poli­zis­ten erin­nert. Die Tafel ist das Ergeb­nis von Kri­tik aus Rei­hen der Poli­zei an der Anbrin­gung von zwei mah­nen­den Gedenk­ta­fel zur NS-Zeit, ohne dass die nähe­re Ver­gan­gen­heit der Poli­zei­ar­beit mit einem Erin­ne­rungs­zei­chen berück­sich­tigt wur­de.1


Die Gedenk­ta­fel für im Dienst getö­te­te Poli­zis­ten. Lei­der ist auf­grund der Aus­füh­rung in Glas und der Licht­si­tua­ti­on die Qua­li­tät der Bil­der nicht optimal.

Die Gedenk­ta­fel aus Glas in Form eines quer­lie­gen­den Kreu­zes wur­de wie die Gedenk­ta­fel für Paul Kre­ber vom Bau- und Lie­gen­schafts­be­trieb NRW, dem Eigen­tü­mer des Poli­zei­prä­si­di­ums, gestal­tet und finan­ziert. Sie zeigt unter der Inschrift:

Sie wur­den in Aus­übung ihres Diens­tes Opfer von Gewalttaten”

drei Foto­gra­fien der Beam­ten, ihre Unter­schrift, den Namen, das Geburts- und Todes­da­tum. Von links nach rechts wird so die­sen drei Kol­le­gen gedacht:
Karl Sewing 13.06.1912 — 08.11.1965.

Der 54jährige Poli­zei­meis­ter Karl Sewing wur­de am 8. Novem­ber 1965 in Rem­scheid getö­tet, als er und sein Kol­le­ge, der den Strei­fen­wa­gen fuhr, um 5 Uhr mor­gens einen Mann stell­ten, nach dem sie zwei Schüs­se gehört hat­ten. Als Sewing den Mann mit vor­ge­hal­te­ner Dienst­waf­fe auf­for­der­te, sei­ne Pis­to­le nie­der­zu­le­gen, schoss der “schwer vor­be­straf­te Kri­mi­nel­le” durch das Fens­ter fünf bis sie­ben­mal2 auf den Poli­zis­ten, der im städ­ti­schen Kli­ni­kum3 starb.4 Die Tat geschah an der Ein­mün­dung der Stra­ße “Zum Greu­el” auf die Len­ne­per Stra­ße.5 Einen Tag spä­ter wur­de der flüch­ti­ge 30jährige Täter fest­ge­nom­men und Haft­be­fehl erlas­sen. Die Obduk­ti­on des Leich­nams Sewings ergab, dass zwei der drei Schüs­se, die ihn tra­fen töd­lich waren, einer drang ins Herz ein, der ande­re traf die Brust­schlag­ader.6


Horst Fied­ler 04.05.1953 — 24.04.1999

Der 45jährige Kri­mi­nal­haupt­kom­mis­sar Horst Fied­ler war Rausch­gift­fahn­der und wur­de am 24. April 1999 in Solin­gen Auf­der­hö­he bei einer Fest­nah­me erschos­sen. Er lei­te­te an die­sem Tag die Obser­va­ti­on eines 49jährigen Dea­lers und die anschlie­ßen­de Fest­nah­me. Ohne Vor­war­nung eröff­ne­te der Ver­däch­ti­ge durch die geschlos­se­ne Woh­nungs­tür in einem Mehr­fa­mi­li­en­haus das Feu­er auf die Beam­ten. Horst Fied­ler brach töd­lich getrof­fen zusam­men, ein 35jähriger Kol­le­ge wur­de ange­schos­sen, konn­te das Feu­er aber noch erwi­dern. Der Täter flüch­te­te trotz eines Ober­schen­kel­steck­schus­ses über den Bal­kon. Eine Groß­fahn­dung wur­de aus­ge­löst. Der Ver­däch­ti­ge flüch­te­te zunächst in eine 150m ent­fern­te Gara­ge und erzwang am Abend mit Waf­fen­ge­walt Zutritt zu einem Haus und nahm die Bewoh­ne­rin als Gei­sel, ließ sie aber spä­ter frei. Am Mit­tag des fol­gen­den Sonn­tags wur­de er von den Beam­ten des SEK über­wäl­tigt und fest­ge­nom­men. Horst Fied­ler hin­ter­ließ zwei Kin­der.7


Kirs­ten Späing­haus-Flick 28.07.73 — 27.02.2000

Die 26jährige Poli­zei­ober­meis­te­rin8 Kirs­ten Späing­haus-Flick wur­de am 27.Februar 2000 bei einem Bezie­hungs­streit zwi­schen einem 27jährigen Maze­do­ni­er und sei­ner Frau getö­tet. Die Ehe­frau des Täters hat­te die Poli­zei von einer Tele­fon­zel­le um Hil­fe geru­fen.9 Beim Ein­tref­fen der Poli­zei war die Frau ver­schwun­den. Bei Kon­trol­le eines BMW an der Ecke Albert-Tha­er-Stra­ße/Rönt­gen­stra­ße tra­fen die Poli­zis­ten auf den Ehe­mann, ohne dies zu wis­sen. Der Täter riss die Fah­rer­tür von Späing­haus-Flick auf und atta­ckier­te die Poli­zis­tin mit einem 30cm lan­gen Mes­ser. Der Beam­te auf dem Bei­fah­rer­sitz sprang aus dem Wagen und stopp­te den Täter mit einem Schuss in den Ober­schen­kel, nach­dem die­ser der Auf­for­de­rung, das Mes­ser abzu­le­gen nicht nach­ge­kom­men war. Späing­haus-Flick, deren Ehe­mann eben­falls bei der Rem­schei­der Poli­zei arbei­te­te, ver­starb kur­ze Zeit spä­ter an ihren Ver­let­zun­gen.10 Am 2.März 2003 fand unter gro­ßer Anteil­nah­me die Bestat­tung in Len­nep statt, über 1000 Poli­zis­ten gaben der getö­te­ten Kol­le­gin das letz­te Geleit, auch NRW-Innen­mi­nis­ter Fritz Beh­rens nahm an der Trau­er­fei­er teil.11

Am Tat­ort erin­nert ein ein­fa­ches Holz­kreuz an den Tod der jun­gen Poli­zis­tin, für das Schü­ler des benach­bar­ten Rönt­gen-Gym­na­si­ums die Paten­schaft für die Pfle­ge des Kreu­zes über­nom­men haben.12 Am 27.Februar 2003 wur­de im Foy­er der Poli­zei­in­spek­ti­on Rem­scheid eine Gedenk­ta­fel für Kirs­ten Späing­haus-Flick und Karl Sewing ein­ge­weiht. Ein Foto von ihr fin­det sich auf www.corsipo.de 13


Posi­ti­on des Denk­mals auf der Karte


Paul-Kreber-Gedenktafel

Die­ser Ein­trag wur­de am 4. Juli 2012 mit Hil­fe einer neu­en Quel­le (Micha­el Okroy, „… 8 Zigeu­ner­fa­mi­li­en aus der Sied­lung abge­holt.“ Bruch­stü­cke einer Ver­fol­gungs­ge­schich­te der Sin­ti und Roma aus Wup­per­tal, in: Karo­la Frings und Ulrich F. Opfer­manmn (Hg.), Zigeu­ner­ver­fol­gung im Rhein­land und in West­fa­len 1933–1945. Geschich­te, Auf­ar­bei­tung und Erin­ne­rung, Pader­born 2012, S. 279–300.) über­ar­bei­tet. In die­ser fin­den Inter­es­sier­te auch Infor­ma­tio­nen zur Quellenproblematik.

Am 1. Dezem­ber 2000 wur­de im Poli­zei­prä­si­di­um Wup­per­tal eine glä­ser­ne Gedenk­ta­fel für den Poli­zei­be­am­ten Paul Kre­ber ein­ge­weiht. Jener hat­te in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus die Sin­ti-Fami­lie Weiss und wei­te­re Sin­tis vor der Depor­ta­ti­on geret­tet.1


Gedenk­ta­fel für den Poli­zis­ten Paul Kreber.

Paul Kre­ber wur­de am 10. April 1910 im loth­rin­gi­schen Dieden­ho­fen gebo­ren und absol­vier­te von 1919 bis 1924 die katho­li­sche Volks­schu­le in Bar­men.2 Anfang der 1930er Jah­re fand er eine Anstel­lung bei der Reichs­post in der neu­en Stadt Wup­per­tal, zuvor hat­te einen mehr­jäh­ri­gen Mili­tär­dienst abge­leis­tet. Spä­ter (1939, 3) bewarb er sich bei der Poli­zei und wur­de als Kri­mi­nal-Assis­tent-Anwär­ter ein­ge­stellt und 1941 als Beam­ter in den Erken­nungs­dienst über­nom­men. Hier wur­de ihm die Über­wa­chung und Kon­trol­le der in der NS-Ideo­lo­gie als “ras­si­sche min­der­wer­tig” ange­se­he­nen Sin­ti und Roma zuge­teilt, die damals noch all­ge­mein “Zigeu­ner” genannt wur­den.4

Die Fami­lie Weiß war im Jahr 1939 aus Gel­sen­kir­chen nach Wup­per­tal gekom­men, wo Hugo Weiss direkt eine Anstel­lung fand und die jün­ge­ren Söh­ne einen katho­li­schen Kin­der­gar­ten besuch­ten. Der neun­jäh­ri­ge Paul Weiß absol­vier­te erfolg­reich die Auf­nah­me­prü­fung am Bar­mer Kon­ser­va­to­ri­um. Die Her­kunft der Fami­lie als Sin­ti war nicht offen­sicht­lich. Die Fami­li­en Weiss und Kre­ber leb­ten zunächst in der Nach­bar­schaft und so tra­fen sich Mar­ga­re­the Kre­ber und Anto­nie Weiß zufäl­lig beim Ein­kau­fen. Hugo Weiss ent­schloss sich, zur Siche­rung des Über­le­bens sei­ner Fami­lie sich mit dem für “Zigeu­ner­an­ge­le­gen­hei­ten” zustän­di­gen Kom­mis­sar “anzu­freun­den”. Aus die­ser geziel­ten und zweck­dien­li­chen Kon­takt­auf­nah­me erwuchs eine freund­schaft­li­che Bezie­hung.5


Im Dezem­ber 1942 befahl Reichs­füh­rer-SS Himm­ler die Depor­ta­ti­on der noch im Reich befind­li­chen Sin­ti und Roma in das Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz-Bir­ken­au. Am 3. März 1943 kam die­ser Befehl in Wup­per­tal zur Aus­füh­rung und neun Fami­li­en wur­den per LKW aus städ­ti­schen Not­un­ter­künf­ten ins Gefäng­nis am Ben­dahl gebracht und von dort zum Bahn­hof. Fami­lie Weiss mit den Söh­nen Paul, Johann, Arnold, Rigo­bert und Hel­mut war aller­dings von der Depor­ta­ti­ons­lis­te gestri­chen wor­den — ver­mut­lich von Paul Kre­ber, der auch eine ande­re Fami­lie warn­te, sodass sie unter­tau­chen konn­te und ande­ren Aus­län­der­päs­se für das besetz­te, aber weni­ger gefähr­de­te Frank­reich ver­schaff­te.6 Kre­ber stell­te den Weiss’ ein gutes Leu­munds­zeug­nis aus, sodass man sich in Ber­lin dazu ent­schied, statt einer Depor­ta­ti­on eine Zwangs­ste­ri­li­sa­ti­on durch­zu­füh­ren. Die Bom­ben­an­grif­fe auf Wup­per­tal im Mai und Juni 1943 ver­hin­der­ten dies jedoch. Anto­nie Weiss wur­de mit den Kin­dern nach Thü­rin­gen eva­ku­iert, wäh­rend Hugo wei­ter in der kriegs­wich­ti­gen Fir­ma Espen­lau­hb arbei­te­te.7 Paul Kre­ber wur­de aus­ge­bombt und ließ sich nach Metz ver­set­zen, wohin er die sie­ben­köp­fi­ge Fami­lie Weiss nach­hol­te und ihnen eine Woh­nung und eine Arbeit im einem Wan­der­zir­kus ver­schaff­te.8 Nach einer Denun­zia­ti­on wur­de Hugo und Anto­nie Weiss von Kri­mi­nal­po­li­zei ver­haf­tet und in einem Straß­bur­ger Kran­ken­haus zwangs­ste­ri­li­siert.9 In den Kriegs­wir­ren ver­lor man sich aus den Augen — Paul Kre­ber wur­de nach Wup­per­tal zurück­ver­setzt — und traf sich 1946 wie­der. Fami­lie Weiss hat­te fast alle Ver­wand­te in Aus­sch­witz ver­lo­ren.10 Die Fami­li­en sind bis heu­te eng befreun­det11 und so ist es kein Wun­der, dass Hel­mut, Paul und Johann Weiss bei der Ein­wei­hung der Gedenk­ta­fel zuge­gen waren und zusam­men für Onkel Paul auf Gei­ge, Kla­vier und Akkor­de­on musi­zier­ten.12


Auch nach dem Krieg setz­te sich Paul Kre­ber unter ande­rem in Wie­der­gut­ma­chungs­ver­fah­ren für Sin­ti und Roma ein. 1966 schied er krank­heits­be­dingt aus dem Poli­zei­dienst aus.13 Unter den Kol­le­gen hat­te er auf­grund sei­nes freund­schaft­li­chen Umgangs mit den Sin­ti und Roma den Spitz­na­men “Zigeu­ner Paul”, den er bereits zur NS-Zeit erhal­ten hat­te, sodass der Mut die­ses Man­nes noch ein­mal höher ein­zu­schät­zen ist, da er sicher­lich genau beob­ach­tet wur­de. 1988, ein Jahr vor sei­nem Tod, erhielt Paul Kre­ber auf Bestre­ben der Fami­lie Weiss und des Zen­tral­rats der Deut­schen Sin­ti und Roma das Bun­des­ver­dienst­s­kreuz für sei­nen Mut, die inner­halb des NS-Ver­fol­gungs­ap­pa­ra­tes vor­han­de­nen Spiel­räu­me für huma­nes Han­deln auch zu nut­zen.14 Nach­dem er lan­ge Jah­re in Bey­en­burg gelebt hat­te, zog er 1984 an den Boden­see, wo er 1989 ver­starb und in Wup­per­tal in Ver­ges­sen­heit geriet.15

Als aber im Som­mer 2000 eine Wel­le rechts­ra­di­ka­ler und ras­sis­ti­scher Gewalt ein­setz­te, begann man sich für Bei­spie­le von Zivil­cou­ra­ge zu inter­es­sie­ren.16 Der Wup­per­ta­ler His­to­ri­ker Micha­el Okroy, Mit­ar­bei­ter der Begeg­nungs­stät­te Alte Syn­ago­ge, war bereits auf die Taten von “Onkel Paul” auf­merk­sam gemacht wor­den und initi­ier­te nun die Stif­tung einer Gedenk­ta­fel im Poli­zei­prä­si­di­um.17
Zur Ein­wei­hung erschie­nen nicht nur, wie bereits erwähnt, die Brü­der Hel­mut, Johann und Paul Weiss, son­dern auch Paul Kre­bers Toch­ter, die mit den Brü­dern Weiss befreun­det ist und Kre­bers Enke­lin, sowie Micha­el Okroy, Ober­bür­ger­meis­ter Dr. Hans Kre­men­dahl und der Haus­herr, Poli­zei­prä­si­dent Klaus Koeh­ler. Neben dem musi­ka­li­schen Andenken erin­ner­te Johann Weiss in einer Anspra­che an Paul Kre­ber.18
Die Gedenk­ta­fel von vorne.

Die Gestal­tung der Gedenk­ta­fel oblag dem Bau- und Lie­gen­schafts­be­trieb des Lan­des NRW, der auch die Kos­ten hier­für als Eigen­tü­mer des Gebäu­des über­nahm. Das Foto stammt von der Begeg­nungs­stät­te Alte Syn­ago­ge, die auch die Inschrift ver­fass­te.19 Die Gedenk­ta­fel besteht aus Glas und zeigt ein sti­li­sier­tes Kreuz aus einer ein­fa­chen waa­ge­rech­ten Linie und einer senk­rech­ten Dop­pel­li­nie. Oben links ist ein Foto Paul Kre­bers zu sehen, dar­un­ter sein Name und das Geburts- und Ster­be­jahr. Unten rechts fin­det sich die Inschrift:


Die Inschrift.

            “Paul Kreber

war von 1940 bis 1943
beim Erken­nungs­dienst der
Kri­mi­nal­po­li­zei im
Poli­zei­prä­si­di­um Wuppertal
tätig.

Unter Ein­satz sei­nes Lebens
und des sei­ner Fami­lie be-
wahr­te er im Früh­jahr 1943
meh­re­re Wup­per­ta­ler Sinti-
Fami­li­en vor der Deportation
in das Vernichtungslager
Ausch­witz-Bir­ken­au, indem er
Befeh­le nicht aus­führ­te, Ver-
ste­cke beschaff­te und den
Ver­folg­ten zur Flucht ver-
half.

1988 wur­de Paul Kre­ber auf
Vor­schlag des Zentralrats
der deut­schen Sin­ti und Roma
das Bundesverdienstkreuz
verliehen.

Sein aus­ser­or­dent­lich mutiges
Han­deln soll uns allen zum
Vor­bild für Zivil­cou­ra­ge und
Mensch­lich­keit dienen.”


Am sel­ben Tag wur­de im glei­chen Flur eine Gedenk­ta­fel für im Dienst gestor­be­ne Poli­zis­ten der Öffent­lich­keit ohne Zere­mo­nie über­ge­ben. Sie ist eine Reak­ti­on auf Kri­tik aus den Rei­hen der Poli­zei, dass nun zwei Tafeln an die NS-Zeit erin­nern und mah­nen, aber die jün­ge­re Geschich­te der Poli­zis­ten ver­ges­sen werde.


Gedenktafel zur Erinnerung an die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung durch die Geheime Staatspolizei

Am 1. Sep­tem­ber 1939 über­fiel das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Deutsch­land Polen und ent­fes­sel­te den Zwei­ten Welt­krieg. Am sel­ben Tag wur­de in Wup­per­tal das Poli­zei­prä­si­di­um ein­ge­weiht. 60 Jah­re spä­ter wur­de aus Anlass die­ses Jah­res­ta­ges eine glä­ser­ne Gedenk­ta­fel am Ein­gang ein­ge­weiht, die an die Ver­fol­gung durch die Gehei­me Staats­po­li­zei (Gesta­po) erin­nert, die in die­sem Gebäu­de eine Dienst­stel­le mit 40 Beam­ten bezo­gen hat­te. In den 70 Zel­len des zuge­hö­ri­gen Poli­zei­ge­fäng­nis­ses fol­ter­te und miss­han­del­te die Gesta­po unter Dul­dung der Staats­an­walt­schaft ihre Opfer. Für vie­le waren die Zel­len “War­te­zim­mer des Todes”, so Poli­zei­prä­si­dent Köh­ler, bevor sie in Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern ermor­det wur­den. Auch ver­brach­ten 64 der 71 Opfer der Mor­de in der Wen­zeln­berg­schlucht hier ihre letz­te Nacht.1

Aus­lö­ser für die Anbrin­gung der Gedenk­ta­fel war eine Ver­an­stal­tung im Saal 300 des Poli­zei­prä­si­di­ums, die die Begeg­nungs­stät­te Alte Synagoge
1997 zur Erin­ne­rung an den Bia­lys­tok-Pro­zess, der in die­sen Räu­men stattfand,
aus­ge­rich­tet hat­te. Es folg­te ein Gesprächs­kreis auf Initia­ti­ve des Sozi­al­wis­sen­schaft­lers Micha­el Okroy, der zusam­men mit dem Poli­zei­prä­si­den­ten die Auf­stel­lung eines Gedenk­zei­chens vor­an­trieb.2


Die Gedenk­ta­fel am Polizeipräsidium.

Die Inschrift der Gedenk­ta­fel lautet:

“Wir wol­len nicht vergessen!
Am 1.September 1939 wur­de das
neu­erbau­te Poli­zei­prä­si­di­um Wuppertal
bezo­gen. Neben dem Polizeigefängnis
befand sich in die­sem Gebäu­de bis
1945 auch die ört­li­che Dienst­stel­le der
Gehei­men Staatspolizei.
Die Gesta­po inhaf­tier­te, ver­hör­te und
miß­han­del­te hier Men­schen, die aus
poli­ti­schen, reli­giö­sen, ras­sis­ti­schen oder
welt­an­schau­li­chen Grün­den verfolgt
wur­den. Zu den Opfern gehör­ten Sozial-
demo­kra­ten, Kom­mu­nis­ten, Angehörige
der Kir­chen und ande­rer Religions-
gemein­schaf­ten, Juden, Sin­ti und Roma,
Homo­se­xu­el­le und ausländische
Zwangs­ar­bei­ter. Vie­le von Ihnen kamen
von hier direkt in Konzentrationslager.

Zwi­schen 1941 und 1944 organ­sier­te die
ört­li­che Gesta­po sechs Massentransporte.
Etwa 1.000 jüdi­sche Män­ner, Frau­en und
Kin­der aus Wup­per­tal, Remscheid
und Solin­gen und umlie­gen­den Städten
wur­den in Ghet­tos und Vernichtungslager
depor­tiert und dort ermordet.

Der Poli­zei­prä­si­dent Wuppertal

1.September 1999”


Zur Gedenk­fei­er, die der Ein­wei­hung vor­aus­ging, erschie­nen Ober­bür­ger­meis­ter Kre­men­dahl, Bür­ger­meis­te­rin Woh­lert, der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Bertl (SPD), Ver­tre­ter des Innen­mi­nis­te­ri­ums des Lan­des und der Bezirks­re­gie­rung, zahl­rei­che Rats­mit­glie­der aus Wup­per­tal, Solin­gen und Rem­scheid, Ver­te­ter der christ­li­chen Kir­chen und der jüdi­schen Kul­tus­ge­mein­de, dar­un­ter der ehe­ma­li­ge lang­jäh­ri­ge Vor­sit­zen­de Blei­cher, der selbst Opfer des NS-Regimes gewor­den war. Außer­dem erschie­nen Ver­tre­ter des Deut­schen Gewerk­schafts­bun­des, des Lan­des­ver­bands der Sin­ti und Roma, der Ver­ei­ni­gung der Ver­folg­ten des Nazi­re­gimes und Ver­tre­ter der Wach­turm­ge­sell­schaft.3


Poli­zei­prä­si­dent Köh­ler führ­te in sei­ner Rede aus, dass es kei­ne Kon­ti­nui­tät zwi­schen der Poli­zei von damals und der von heu­te gebe. “Mit der dama­li­gen Poli­zei wol­len wir nichts zu tun haben.“4 Den­noch müs­se man sich der eige­nen Geschich­te stel­len und sie nicht mit Tabus bele­gen. Der Anfang der Nazi-Ver­bre­chen geschah in unse­ren Städ­ten und Gemein­den. “Von hier aus die­sem Poli­zei­prä­si­di­um führ­te die Blut­spur direkt die in die Ver­nich­tungs­la­ger”, das sol­le an die­sem Tag in Erin­ne­rung geru­fen wer­den.5


Anschlie­ßend sprach Ober­bür­ger­meis­ter Kre­men­dahl. Er erin­ner­te unter ande­rem dar­an, dass das Gebäu­de in der Nach­kriegs­zeit als Rat­haus fun­gier­te und mit Robert Daum ein Ober­bür­ger­meis­ter die Stadt führ­te, der selbst in den Zel­len der Gesta­po geses­sen hat­te. Gera­de Ange­sichts der Ver­bre­chen, die in die­sem Gebäu­de von Men­schen ver­übt wor­den waren, “ist es so wich­tig, daß wir unse­re Demo­kra­tie nicht selbst­ver­ständ­lich hin­neh­men.” Kre­men­dahl appel­lier­te an die Zuhö­rer sich immer wie­der für die Demo­kra­tie ein­zu­set­zen, in der Hoff­nung, dass sol­che Ver­bre­chen nie wie­der gesche­hen mögen.6


Es folg­te die Anspra­che von Dr.Ulrike Schra­der, Lei­te­rin der Begeg­nungs­stät­te Alte Syn­ago­ge, die die “qua­li­fi­zier­te” Beschäf­ti­gung des Poli­zei­prä­si­di­ums mit sei­ner NS-Ver­gan­gen­heit begrüß­te und ver­deut­lich­te, dass nur 43 Gesta­po-Beam­te inklu­si­ve der Schreib- und Hilfs­kräf­te eine 400.000 Ein­woh­ner-Stadt über­wa­chen soll­ten. Eine all­um­fas­sen­de Über­wa­chung der Bür­ger in der NS-Zeit hat es nicht gege­ben, auch wenn His­to­ri­ker die so lau­ten­de Insze­nie­rung der Gesta­po unge­prüft lan­ge Jah­re in die Geschichts­er­zäh­lung über­nah­men. Es war ein Mythos. (Um so erschre­cken­der wird inzwi­schen die weit­ver­brei­te­te Denun­zia­ti­on von der For­schung wahr­ge­nom­men, die ja auch im Fall der Cari­tas-Sekre­tä­rin Maria Huse­mann zur Ver­haf­tung führ­te.) Nach die­sem eher all­ge­mei­nen Bemer­kun­gen zur Gesta­po ging Frau Schra­der auf ein­zel­ne Schick­sa­le ein, die sich aus den Akten erschlie­ßen las­sen und beton­te das Wir­ken des Kri­mi­nal­be­am­ten Paul Kre­ber, an den inzwi­schen eine eige­ne Gedenk­ta­fel erin­nert. Sie erin­ner­te an die Lei­tung der Depor­ta­ti­on der Juden durch die Gesta­po und begrüß­te, dass alle Opfer­grup­pen auf der Gedenk­ta­fel ver­tre­ten sei­en und auch lan­ge Zeit dis­kri­mi­nier­te Grup­pen wie Homo­se­xu­el­le oder “Aso­zia­le” nicht län­ger miss­ach­tet wer­den. Aber sie mahn­te auch an, dass die Arbeit der His­to­ri­ker nun erst begin­nen müs­se, um auch am Bei­spiel der Poli­zei­be­hör­den Tabus zu ent­kräf­ten und Kli­schees und Mythen zu erken­nen, damit das Erin­ne­rungs­zei­chen als glaub­wür­dig wahr­ge­nom­men wer­de.7


Die Gedenk­fei­er wur­de vom Kla­ri­net­ten­en­sem­ble des Lan­des­po­li­zei­or­ches­ters NRW beglei­tet. Nach der Gedenk­fei­er folg­te die Ent­hül­lung der Gedenk­ta­fel und eine Kranz­nie­der­le­gung durch den Ober­bür­ger­meis­ter und den Poli­zei­prä­si­den­ten8Hol­ger Ste­phan, “Das Ver­gan­ge­ne ist nie­mals tot”, in: WZ vom 2.9.1999./note] unter musi­ka­li­scher Beglei­tung des Blech­blä­ser­en­sem­bles des Lan­des­po­li­zei­or­ches­ters NRW. Am 1. Dezem­ber 2000 wur­de im Poli­zei­prä­si­di­um eine Gedenk­ta­fel für den Poli­zis­ten Paul Kre­ber ent­hüllt, der wäh­rend des NS-Zeit Sin­ti und Roma vor der Depor­ta­ti­on bewahrte.


Posi­ti­on des Denk­mals auf der Karte